Endlich wieder Willingen!


Die Zahlen sprechen für sich:

Zum fünften Mal innerhalb der vergangenen sechs Jahre nahm Max Weidenhöfer an den Deutschen Jugend-Einzelmeisterschaften teil. Nach der erst im Schnellschach-Tiebreak im Finale verpassten Qualifikation im Vorjahr konnte Max in den Osterferien 2022 zum wiederholten Male den Landesmeistertitel feiern und durfte sich in der Pfingstwoche auf die Reise ins Sauerland machen. Dort, genauer: in Willingen, fanden die Wettkämpfe der besten deutschen sowie – als besondere Gäste in besonderen Zeiten – einiger ukrainischer Jugendspieler statt.
Am Ende stand für Max der 29. Rang zu Buche, was exakt seiner Setzlistenposition entsprach.

Zweifellos hatten Max sowie sein aus der Heimat bei der Vorbereitung unterstützender Trainer Martin Breutigam sich etwas mehr versprochen. Ebenso wie der in Willingen weilende Berichterstatter.
Doch so richtig wollte es von Beginn an nicht laufen und es ist ja auch völlig normal, dass nicht jedes Turnier über den Erwartungen bleiben kann.

In der ersten Runde wurde Max vom seltenen Zug 3…Db6 in der Caro-Kann-Verteidigung überrascht. Doch mit klug investierter Bedenkzeit erreichte er eine dominante Stellung, in der Schwarz nicht zur Rochade kam, stattdessen im Mittelspiel mit dem König zwischen d7 und f8 pendelte. Das wirkte keineswegs wie ein Gewinnversuch des Gegners, doch Max wollte mehr als ein Remis gegen den 150 DWZ-Punkte stärkeren Gegner. Im Endspiel ergab sich dann nochmals eine Gelegenheit:

Max Weidenhöfer (1882) – Julius Ohler (2027) Im 45. Zug tauschte Max die Damen und verlor das objektiv ausgeglichene Endspiel sogar noch. Vermutlich wäre hier Geduld gefragt gewesen; mit 45. Td7 kann Weiß die Stellung weiter verbessern. Nun kann Schwarz schlecht selbst die Damen tauschen, weil nach 45…Dxg6 46. hxg6 die Gabel g7+ mit Materialgewinn droht. Auf 46…Tg8 nimmt Weiß mit 47. Txb7 den Bauern und droht 48. Td8+ Lxd8 49. Tf7+ Ke8 50. Lxc6#. Deshalb sollte Schwarz statt des Damentauschs lieber ein Turmpaar vom Brett nehmen, 45…Te1+ 46. Txe1 Dxd7 47. bxa5, wonach aber alle weißen Figuren besser stehen als die schwarzen und nur eine Seite auf Gewinn spielen kann.

Eine interessante Caro-Kann-Partie gab es auch in Runde 2. Heterogene Rochaden versprachen ein Wettrennen mit dem Preis eines erfolgreichen Mattangriffs.

Jonas Rempe (1970) – Max Weidenhöfer (1882) Die Stellung im 15. Zug nach dem weißen f4-f5. Beide Seiten haben durchaus starke Angriffsideen. Der weißfeldrige Läufer hilft jedoch nur einer Seite, deshalb sollte Schwarz am Zug diesen mit 15…Lxd3 abtauschen. Stattdessen witterte Max hier Materialgewinn und spielt 15…c4, was Weiß quasi zu seinem Glück mit 16. f6 Te8 17. Lxh7+ zwingt. Das Läuferopfer funktionierte und Weiß gewann.

Der Start am Sonntag mit 0 aus 2 war also missglückt. Einigermaßen unbeeindruckt schlug Max am Folgetag aber sofort zurück. Gegen den Najdorf-Sizilianer kann man heutzutage quasi jeden regelkonformen 6. Zug spielen. Max entschied sich diesmal für Ld3 und abermals kam es zu einer Stellung mit ungleichen Rochaden.

Max Weidenhöfer (1882) – Philipp Guo (1938) Weiß hat Ideen, mit f4 und/oder g5 Linien gegen den schwarzen König zu öffnen. Andererseits besitzt Schwarz schon jetzt die halboffene b- und c-Linie und die weißen Leichtfiguren sind auch noch nicht gerade ideal zum Angriff positioniert. Es schien also noch ein hartes Stück Arbeit bevorzustehen, als Max‘ Gegner im 22. Zug mit Dc6 fehlgriff und 23. Txd4 erlaubte.

Mit diesem ersten Punkt sollte unseren Wünschen nach natürlich ein Aufwärtstrend eingeleitet werden, der jedoch bereits am Dienstag jäh gestoppt wurde. Das Eröffnungsexperiment Skandinavisch scheiterte bereits im 11. Zug.

John Heinrich (1995) – Max Weidenhöfer (1882) Noch ist nicht viel passiert, Schwarz sollte sich hier im 11. Zug einfach weiter entwickeln. Lg7 sieht natürlich aus, Max entschied sich für den ebenfalls logischen Zug 11…Td8, der leider den eigenen König einmauert. Nach 12. Sd5 fällt entweder die Dame oder es folgt ein ersticktes Matt.

Nun zeigte sich, dass sich Max leider ausgerechnet zum Saisonhöhepunkt nicht in Topform befand. Meine Theorie lautet: Mit höherer Punkteausbeute und mehr Selbstvertrauen spielt man die folgende Stellung aus Runde 5 aktiver:

Max Weidenhöfer (1882) – Pascal Neuber (1900) Schwarz hat gerade mit 17…Tc8 den Bauern auf c3 bedroht. Weiß könnte ihn mit 18. Tac1 decken und gleichzeitig den Vormarsch c3-c4 vorbereiten. Wenn Schwarz eine Blockade des c-Bauern mittels 18…Sc4 versucht, wird dieser mit 19. De2 wieder vertrieben. Außerdem kann der weiße Springer von d4 über b5 auf den Vorposten d6 gelangen. In der Partie geschah der deutlich passivere Rückzug 18. Sd4-e2. Im weiteren Partieverlauf büßte Weiß den Bauern auf e5 ein und verlor das Endspiel.

Natürlich muss betont werden, dass alle bisherigen Gegner nominell etwas stärker waren, so dass man das Resultat von einem Punkt aus fünf Runden nicht verdammen kann. Doch sind wir auf einer Deutschen Meisterschaft und da werden die Aufgaben mit Auslosung der nächsten Runde nicht einfacher. Zu allem Überfluss stand an diesem Tag wieder eine Doppelrunde auf dem Programm.

Jonas Hecht (1912) – Max Weidenhöfer (1882) Nach dem Zug 26. hxg6 muss Schwarz zurückschlagen. Beide Optionen sind nicht so wirklich attraktiv, vermutlich steht Schwarz so oder so etwas schlechter. Doch nach dem Partiezug 26…fxg6 geht es schnell zu Ende. Weiß spielt 27. Lb3 Kg7 28. Td1 Dc8 29. Txd8 Dxd8 30. Lxe6, hat einen Bauern gewonnen und der schwarze König bleibt dauerhaft schwach.

Und was passiert, wenn man sich mit 1 aus 6 am Tabellenende wiederfindet? Man wird am nächsten Tag gegen einen Gegner über 2000 gepaart und wiederholt zu allem Überfluss auch noch die schwarzen Steine.

Christian Gluma (2014) – Max Weidenhöfer (1882) 19. Zug, beide Seiten sind noch nicht unbedingt voll entwickelt. Schwarz würde gerne rochieren, doch Weiß am Zug findet die starke Idee 20. Sd4, was c6 und f5 bedroht. Nach 20…Tc8 21. Sxf5 gxf5 22. Ld3 0-0 23. Lg5 hat Schwarz zwar kein Material verloren, doch die luftige Königsstellung erwies sich in der weiteren Partiefolge als entscheidender Nachteil.

Zum Abschluss gelang Max dann aber endlich der lang verdiente und durchaus sehenswerte zweite Sieg.
Max Weidenhöfer (1882) – Lorenz Beyer (1718) Sizilianisch, Weiß hat lang rochiert, Schwarz traut sich die kurze Rochade angesichts des Bauernsturms am Königsflügel nicht, spielt deshalb aber für den Moment ohne den Turm auf h8. Im 14. Zug hatte Weiß auf c6 einen Springer geschlagen und Schwarz, statt zurückzunehmen, mit Sc3+ ein Opfer versucht. Das funktioniert aber nicht, Max nahm ohne lange Rechenzeit cool mit der Dame 15. Dxc3 und behielt eine Mehrfigur nach 15…Dxa2+ 16. Kxa2 bxc3 17. Sd4.

In der letzten Runde konnte ein Teilnehmer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr antreten, so dass Max leider das unattraktive Los „spielfrei“ erhielt. Dieser dritte Punkt ließ ihn das Turnier auf Rang 29 abschließen. Spannende Partien, eine Menge gelernt, viel Schach und viel Spaß – alles so wie immer in Willingen. Grund genug, im nächsten Jahr wiederzukommen und dann in der U18 ein, zwei Punkte mehr anzustreben.

Neben den regulären Turnieren, die auch während der Pandemie fortgeführt wurden, gab es in diesem Jahr nach längerer Pause auch endlich wieder ein offenes U25-Turnier. Hier trat Ben Weidenhöfer in der Kategorie DWZ bis 1400 an, wo er in 9 Runden gute 4,5 Punkte erspielte.

Bildquellen: Deutsche Schachjugend
Diagramme: Chessbase 15

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