Caissa belohnt jene, die korrekt aufstellen
Da ich momentan wenig Material habe, um über die Varreler Jugend zu schreiben, versuche ich mich mal an einem kleinen Bericht über die Erwachsenen und solche, die es werden wollen. Sprich, den 6. Spieltag in der Bremer Stadtliga.
Obwohl: Ich kann nicht ganz aus meiner Haut, deswegen kurz vorweg: In Bad Zwischenahn fand am vorigen Wochenende ein nicht ganz unerhebliches Turnier statt. 376 Teilnehmer waren beim Nordwest-Cup vor Ort, darunter auch einer vom TuS Varrel. Es wäre eine recht simple Gewinnspielfrage, die geneigte Leserschaft raten zu lassen, wer das wohl gewesen sein könnte. Im B-Turnier war Max an Position 78 gesetzt. Unter 129 Startern belegte er am Ende mit drei Siegen, drei Remis und einer Niederlage Rang 27. Punktgleich mit dem 15. Klingt wie ein gutes Turnier, war es auch. DWZ steigt, Elo auch, Selbstvertrauen sowieso. Grund genug, Max auch heute in der Stadtliga zum Zuge kommen zu lassen. Und damit wäre der Bogen geschlagen zum eigentlichen Thema dieses Beitrags.
Nachdem ihm am vorigen Spieltag in Bremen-Nord ein kleiner Fauxpas mit unserer Teamaufstellung unterlaufen war, wurde Mannschaftsführer Heiko kurzerhand beurlaubt. Ich sage „beurlaubt“, in Wirklichkeit musste er Strafdienst auf dem familieneigenen Hof verrichten und konnte deshalb nicht am Schachbrett mitwirken.
In Abwesenheit des Käpt‘ns übernahm ich vertretungsweise die Leitung und beratschlagte mit meinen Vereinskollegen, dass wir heute zur Abwechslung spontan mal eine korrekte Aufstellung verwenden wollten. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass es für unsere Gewinnchancen durchaus von Vorteil ist, wenn alle Varreler Bretter auch in die Wertung eingehen.
Genug über uns, ein paar Worte zum Gegner: Gast am heutigen Tage war die fünfte Mannschaft von Werder Bremen. Und selbst deren Kader hat es noch richtig in sich!
Es ist tatsächlich erstaunlich: Werder Bremen kann augenscheinlich aus einer derart gigantischen Spielermasse schöpfen, dass man doch jedes Jahr auf‘s Neue wieder acht Leute findet, die allesamt noch nie in ihrem Leben in Varrel waren und auch allesamt unser Spiellokal nicht finden. Nun bin ich bedauernswerterweise nicht in der Lage, sämtliche Anomalien in dieser Galaxis zu erklären, aber Spielern anderer Vereine passiert das nicht. Schon komisch manchmal.
So trudelten die meisten Werderaner dann also irgendwann zwischen „gerade noch pünktlich“ und „etwa zeitgleich mit Andreas“ im Vereinsheim ein. Ist ja auch nicht weiter schlimm, man kann als guter Gastgeber auch ruhig mal ein bisschen warten.
Um 10.15 Uhr ging‘s dann wirklich los. Auf dem Papier hatte Werder an vier Brettern DWZ-Vorteile von jeweils ca. 150 Punkten, dafür waren wir an den übrigen vier Brettern favorisiert. Statistische Erwartung also vielleicht 4:4, aber wenn es so einfach wäre, bräuchte man ja gar nicht erst zu spielen.
Als erstes endete – sehr zu meinem Bedauern – die Partie an Brett 1. Mit Schwarz gegen den langjährigen Bundesligaspieler CD Meyer entschloss ich mich, mutig einen Königsangriff anzutäuschen. Das ließ der Coach nicht mit sich machen, statt sich zu verteidigen, opferte er selbst munter drauf los. So hatte ich nach 20 Zügen einen Turm mehr, dafür stand mein König auf g5 und eine weiße Dame auf der sechsten Reihe schnitt dem Ärmsten den Rückweg ab. Grobe Einschätzung: Im Normalfall müsste das doch Matt werden, und so war es dann auch.
Der postwendende Ausgleich wurde aber von Manfred hergestellt, der den gegnerischen Mannschaftsführer Andreas Burblies besiegte. Kein guter Tag also für die Kapitäne, Rinderbetreuung, Matt im Mittelspiel, oder sich Manfreds Angriffswirbel ausgesetzt zu sehen, man weiß gar nicht, was am schlimmsten ist…
Christoph hatte freiwillig und gerne einen Bauern in der Eröffnung geopfert, war dann aber eher unfreiwillig vom Gegner zu einer Reihe von Abtäuschen gezwungen worden, woraufhin er sich schließlich in einem Endspiel mit noch immer einem Bauern weniger wiederfand. Das bedeutete 1:2.
Ich zog also auf der Suche nach einem geeigneten Kandidaten, der den erneuten Ausgleich herstellen sollte, um die Bretter. Fündig wurde ich sodann bei Andreas, eigentlich wenig überraschend, ist er in dieser Saison doch unser Topscorer.
Dass auch die Partie an Brett 8 nicht remis enden würde, war schon länger zu erwarten. Vermutlich aus Angst vor unserem kometenhaft aufsteigenden Star Max, der sich heute in der Ersten festgespielt hat, hatten die Werderaner im Januar mit Lars Milde einen starken Spieler nachgemeldet. Dieser rochierte kurz, Max lang, beide griffen an. Da musste doch mindestens ein König matt gehen, leider traf es den Max‘schen zuerst. Nichtsdestotrotz zeigte Max, dass er auch starke Spieler nicht mehr zu fürchten braucht. In der kommenden Saison wird er zweifellos einen Stammplatz in der ersten Mannschaft erhalten. (Behaupte ich jetzt mal, natürlich könnte ich als Interimscoach wieder abgesetzt werden und wer weiß, welche Personalentscheidungen mein Nachfolger trifft)
Wir brauchten also schon wieder einen Heroen, der den Spielstand egalisieren wollte. Jürgen spielt in dieser Saison aus irgendwelchen Gründen immer mit Weiß und das bedeutet, er verliert nicht. In dieser Saison noch gar nicht, in der vorigen auch kein einziges Mal. Heute gewann er. 3:3.
Hartmut, wirklich schade, dass er so selten spielen kann, war heute mal wieder mit von der Partie und meldete sogleich ernsthafte Ansprüche auf die Auszeichnung Matchwinner an. Im Endspiel überlistete er seinen Gegner und fuhr den vierten Varreler Punkt ein, damit erstmals die Führung.
Somit hatten sich in den bisherigen sieben beendeten Partien jeweils die Favoriten durchgesetzt, sollte da etwa doch was an der Aussagekraft der Wertungszahlen dran sein?
Nun lag es an Michael, die Statistiken Lügen zu strafen und dafür zu sorgen, dass zumindest einmal ein Underdog ein Erfolgserlebnis verbuchen konnte. Gut, gewinnen war schwierig, verwaltete er gegen Detlev Diederichsen doch schon seit längerem ein Endspiel mit einer Qualität weniger. Aber Remis täte es beim aktuellen Stand von 4:3 für Varrel ja auch. Einen Bauern Vorteil hatte Michael am Damenflügel, symmetrische Struktur am Königsflügel, also kein gegnerischer Freibauer in Sicht. Nervenaufreibend für die Zuschauer war das Lavieren allemal, beide Spieler kämpften verbissen für ihre Teams. Mal schien eine Festung in greifbarer Nähe, dann wieder drohte der Gegner vernichtend in die weiße Stellung einzubrechen. Mit nur noch Sekunden auf der Uhr spielt sicherlich niemand korrektes Schach, doch Michael verteidigte sich umsichtig und einigte sich um 16.15 Uhr mit seinem Kontrahenten auf die Punkteteilung. Geschafft, 4,5:3,5 für Varrel. Was für ein Kampf!
Weiter geht es in drei Wochen mit einem Auswärtsspiel. Wieder in Bremen-Nord, dann wieder mit Heiko. Mal gucken, wie wir aufstellen…